Eine Reise in die Vergangenheit
Wir befinden uns im Allgäu in der Nähe von Oberstdorf auf dem Weg nach Rohrmoos. Dies ist eine Reise in die Vergangenheit und wie sich im späteren Verlauf herausstellt, auch eine Reise in einen Ort, in dem seit mindestens 59 Jahren die Zeit stillgestanden zu haben scheint. Es ist ein Trip der Generationen – Mutter, Tochter, Enkelin.
Zurück in die Vergangenheit – Von 2018 zurück ins Jahr 1959
Es war im Sommer 1959 als meine Mutter – im Alter von 13 Jahren – ihre Sommerferien im fürstlichen Jagdschloss verbringen durfte und vom weit entfernten Berlin nach Rohrmoos kam. Jedes Jahr im Sommer lud die Adelsfamilie zu dieser Zeit Kinder anderer Adelsfamilien zur Sommerfrische ein. Meine Mutter hatte damals das Glück, dass die Mutter ihrer Freundin während der Sommermonate als Köchin bei der Familie arbeitete und für ihre Tochter eine Begleitung mitbringen durfte. So fiel die Wahl auf meine Mutter, die noch heute gerne Geschichten aus Rohrmoos erzählt. Seitdem sind 59 Jahre vergangen und es war immer ein großer Wunsch meiner Mutter, einmal an diesen Ort der Kindheitserinnerungen zurückzukehren. Diesen Wunsch haben wir nun erfüllt und so reisten wir während unseres Aufenthaltes in Scheidegg am Samstag, den 13.01.2018 zurück ins Jahr 1959. Mit im Gepäck eine Postkarte aus dem Jahr 1959 und einige schwarz weiße Erinnerungsfotos.
Der Weg ist das Ziel
Die Stimmung im Auto ist merkwürdig aufgeregt. Erinnerungen an ein Tanzfest im Berggasthof Rohrmoos, den Besuch der Breitachklamm, die Gottesackerwände und die Wanderung zu einer abenteuerliche Höhle im Jahr 1959 erwachen zu neuem Leben. Fragen spuken durch den Kopf. Wie wird es aussehen in Rohrmoos? Hat sich im Laufe der Jahre viel verändert? Leben noch Menschen in Rohrmoos, deren Familien dort schon 1959 wohnten?
Das Wetter ist grau und bedeckt, aber je näher wir dem Ziel kommen, desto mehr klart es auf und kurz vor dem Ziel reisst der Himmel auf und die Sonne scheint. Es ist, als würde alles für diese besondere Rückkehr vorbereitet.
Der Ausblick auf die faszinierende Bergwelt vor strahlend blauem Himmel ist ein Genuss und die Straße windet sich immer tiefer hinein ins Tal bis wir vor einer Schranke stehen. Ab hier wird es mautpflichtig und mit dem Öffnen der Schranke begeben wir uns in eine andere Welt. Nach wenigen Metern spüren wir keinen Asphalt mehr unter den Rädern sondern Schnee. Jetzt beginnt das Abenteuer. Zwar ist die Straße gut geräumt und gesplittet, dennoch kann ich ein gewisses Bauchkribbeln nicht unterdrücken, während sich die Straße immer weiter bergauf durch das Tal schlängelt. Links und rechts türmen sich die Schneemassen und auch der Schnee auf den Bäumen wird immer dichter. Eine paradiesische Winterlandschaft umgibt uns und hinter jeder Kurve erwarten wir sehnsüchtig das Ziel.
Rohrmoos – oder wo die Zeit stillsteht
Und dann liegt sie vor uns – die kleine Ortschaft Rohrmoos. Auf den ersten Blick sieht hier alles noch aus wie vor 59 Jahren. Direkt am Ortseingang befindet sich ein Parkplatz und so suchen wir uns ein Plätzchen fürs Auto und steigen aus. Einige Langläufer säumen unseren Weg, denn wie es scheint, befinden sich hier sehr beliebte Loipen in diesem schneesicheren Gelände.
Rohrmoos ist ein so markanter kleiner Ort, dass alle Erinnerungen sofort wieder lebendig werden. Die “Rote Wand” leuchtet in der Sonne. Die “Gottesackerwände” ziehen sich majestätisch entlang durchs das Tal.
Das Gasthaus sieht noch aus wie vor 59 Jahren und das Jagdschloss scheint sich in einem Dornröschenschlaf zu befinden.
Selbst die kleine Holzkapelle St. Anna, die älteste Holzkapelle Süddeutschlands, wacht noch immer über diesen malerischen Ort.
Wir möchten noch ein wenig wandern, bevor wir uns ins Berggasthaus begeben und entscheiden uns für einen Wanderweg, der in Richtung “Rote Wand” abzweigt. Einer Spur durch den Schnee folgen wir dem Hang hinauf, der vom Sonnenlicht überflutet wird. Schnell wird uns warm und wir entscheiden uns für eine kleine Rast, um den Ausblick auf Rohrmoos von oben zu genießen. Da der Weg immer steiler und der Schnee immer tiefer wird, gehen wir anschließend zurück ins Dorf.
Von hier wählen wir noch den Wanderweg Richtung Aibele Alpe. Dieser ist perfekt gespurt und führt uns parallel zur Loipe durch den tief verschneiten Wald entlang der Starzlach, des Hörnlegrabens und des Achbachs und seinen zahlreichen Quellzuflüssen. Nach einer Weile treten wir den Rückweg an, da nun doch langsam Hunger aufkommt.
Einkehr im Berggasthaus Rohrmoos
Das Berggasthaus Rohrmoos ist der Dorfmittelpunkt. Während das Dörfchen selbst wie verzaubert inmitten der Bergwelt liegt, still und andächtig, erwacht es hier zum Leben. Wir treten in die behagliche Gaststube ein. Viele der Tische sind besetzt und es duftet nach leckerem Essen. Glücklicherweise finden wir noch einen freien Tisch. Eine rustikale Ecke mit Fellen und Kissen dekoriert lädt uns ein Platz zu nehmen. Die Speise- und Getränkekarte ist vielversprechend und so wählen wir ein paar der heimischen Spezialitäten.
Zeitzeugen
Während wir bei köstlichem Essen und einem Glas Wein im gemütlichen Berggasthaus sitzen, schauen wir uns noch einmal die alten Fotos und die Postkarte meiner Mutter aus dem Jahre 1959 an. Und da haben wir den Beweis schwarz auf weiß. In Rohrmoos ist die Zeit stehen geblieben wie vermutlich in kaum einem anderen Ort in der Umgebung. Tatsächlich gibt es im Berggasthaus eine aktuelle Postkarte von Rohrmoos deren Bild fast exakt an der gleichen Stelle aufgenommen wurde wie im Jahre 1959. Und auch das Foto welches wir vom Hang auf auf den Ort aufgenommen haben ist damit nahezu identisch. Das macht Rohrmoos wirklich zu einem kleinen idyllischen, paradiesischen Fleckchen Erde und damit zu einem ganz besonderem Juwel, was in der heutigen schnelllebigen Zeit Seinesgleichen suchen dürfte. Wir werden diese Erinnerung in unserem Herzen bewahren. Und ich nehme mir fest vor wiederzukommen und die Geschichten meiner Mutter aus Rohrmoos weiter zu erzählen. Und irgendwann zeige ich diesem Ort vielleicht dann meinen Enkeln, aber bis dahin habe ich hoffentlich noch viel Zeit.
Mit liebsten Grüßen und dem Blick nach Vorn.
Eure Dina