Von oben pieksen sie wie ein Kaktus, von unten sind sie flauschig weich. Das Näschen ist klein, schwarz und spitz, die Knopfaugen kugelrund und treu blickend. Wer sich im Garten auf der Wiese über kleine, trichterförmige Löcher wundert, kann sich glücklich schätzen, mindestens einem dieser possierlichen Tierchen den passenden Lebensraum zu bieten. Die Rede ist, sicher habt ihr es bereits erkannt, von den Igeln.
Schon von Kindheit an, haben mich diese bezaubernden Gartenbewohner begeistert, obwohl man sie ja tagsüber gar nicht zu Gesicht bekommt, weil sie nachtaktiv sind. Dazu kommt, dass sie Winterschlaf halten und somit über mehrere Monate im Jahr, gar nicht unterwegs sind. Doch manchmal kommt es vor, dass diese kleinen Wesen auf menschliche Hilfe angewiesen sind und so habe ich schon als Kind von meiner Mutter gelernt, wie Jungigel, die gegen Mitte November noch weit unter ihrem Winterschlafgewicht von mind. 600 bis 700 Gramm liegen, aufgepäppelt und überwintert werden.
Meine kleinen Gartenfreunde – so fing es 2021 neu an
Lange hatten wir hier bei uns im Garten keine Igel mehr (oder nur sehr wenige und wir haben sie nicht gesehen). Doch letztes Jahr im September saßen wir an einem milden Spätnachmittag im Garten, es war noch hell, als ein Igel über die Terrasse huschte.
Der September ist klassischerweise der Monat, in dem viele Igelkinder auf die Welt kommen und dann kommt es vor, dass die Igelmütter auch mal tagsüber das Nest verlassen, um auf Nahrungssuche zu gehen. Die Aufzucht der Kleinen kostet nämlich viel Kraft. Deshalb dachte ich mir schon, dass es sich bei dem Igel sicher um ein Weibchen handelt. Schnell richtete ich eine Futterstelle ein, die auch unverzüglich angenommen wurde. Wie erhofft, saß wenige Tage später die ganze Familie am Futternapf.
Daraufhin habe ich die Kleinen ständig beobachtet, aber trotz Zufütterung kamen sie bis November nicht auf ein vernünftiges Winterschlafgewicht. Die nächtliche Kälte, der Energiebedarf bei der Futtersuche, ein geringes Aufkommen an natürlichen Futterquellen (Insekten) und Parasiten, machen es den Jungigeln im Herbst nicht leicht, Gewicht zuzulegen. Also hab ich die beiden Geschwister eingesammelt, aufgepäppelt, gesichert in den Winterschlaf geschickt und nach Ostern wieder glücklich in die Freiheit entlassen. Zwischendurch hat mich die Igelhilfe in Dorsten noch prima beraten, weil Fragen aufkamen, bei denen ich mir unsicher war.
Igelhilfe und Igelquälerei
Die Natur allein bietet den Igel in den städtischen Regionen leider viel zu wenig Nahrungsquellen. Gehegte und gepflegte Gärten, machen es den Igeln noch schwieriger Futter zu finden. Deshalb befindet sich in meinem Garten im Frühling, Sommer, Herbst eine Igelfutterstelle, wo die Tiere nachts zum Fressen kommen können. Und wo ein Igel ist und sich wohl fühlt, sind zwei, drei, viele …..
Und so gab es dieses Jahr zwei Würfe Jungtiere bei uns. Die Septemberlinge kamen gut zum Essen und nahmen prima zu, doch später im Oktober, muss es einen zweiten Wurf gegeben haben. Diese Kleinen waren Mitte November mit etwas über 300 Gramm viel zu untergewichtig für den Winterschlaf. Also habe ich sie rein geholt – vier Geschwister an der Zahl.
Da ich es dieses Jahr aber zeitlich nicht geschafft hätte sie selbst zu überwintern, habe ich eine Pflegestelle gesucht.
Mit der Igelstation eines Pfadfinderstamms in Gelsenkirchen, dachte ich, hätte ich eine schöne Einrichtung gefunden. Kinder engagieren sich für Tiere, lernen etwas über die Natur und Verantwortung ihr gegenüber. Doch leider entpuppte sich diese Igelstation als Igelqualstation.
Irgendwie hatte ich bei der Hinfahrt schon ein mulmiges Gefühl, weil mir insgeheim die Fotos auf der Webseite des Pfadfinderstamms und die Unterbringung der Igel nicht wirklich angemessen erschienen. Leider sollte sich das bewahrheiten.
Die Igelstation des Pfadfinderstamms verstößt gegen §2 Tierschutzgesetz!!!
Dies besagt:
Wer ein Tier hält, betreut oder zu betreuen hat,
- muss das Tier seiner Art und seinen Bedürfnissen entsprechend angemessen ernähren, pflegen und verhaltensgerecht unterbringen,
- darf die Möglichkeit des Tieres zu artgemäßer Bewegung nicht so einschränken, dass ihm Schmerzen oder vermeidbare Leiden oder Schäden zugefügt werden,
- muss über die für eine angemessene Ernährung, Pflege und verhaltensgerechte Unterbringung des Tieres erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten verfügen.
Ich schäme mich, dass ich trotz dieser Bilder zu dieser Station gefahren bin! Diese Missstände hätte ich direkt erkennen müssen. Natürlich habe ich meine Igel nicht dort gelassen. Und ein Gutes hatte es, ich kann nun auf diese Tierquälerei aufmerksam machen und hoffe, dass diese Station bald Geschichte ist!
Was bei der Igelstation falsch läuft!
Im Gespräch mit dem Betreuer erfuhr ich rein zufällig, dass die Igel überhaupt keinen Winterschlaf halten dürfen!!!! Sie bekommen nur “wenig Futter, weil sie in der Natur ja auch nicht so viel finden” war seine Aussage. “Im Januar haben sie dann so 600 Gramm und können mal 1 – 2 Tage schlafen” hieß es weiter. Mit anderen Worten, sie bekommen mal 1 – 2 Tage kein Futter, damit sie nicht verfetten, aber schlafen werden sie sicher nicht – höchstens hungrig in ihrer Kiste herum vegetieren.
Dazu kommt, dass die oben gezeigten Kisten viel zu klein sind. Stellt euch vor, da muss ein Igel ein halbes Jahr ohne jeglichen Auslauf drin verbringen!!!!
Zum Schlafen hat er nicht mal ein Häuschen, dass er sich, damit er Beschäftigung findet, nachts mit Zeitungsschnipseln ausstopfen kann.
Last but not least, ist das Futter eine Zumutung, denn Nassfutter mit Sauce verursacht dem Igel Bauchschmerzen und ist nicht bekömmlich.
Die Krönung des Ganzen
Angeblich befindet sich die Igelstation in tierärztlicher Obhut und der Tierarzt hat die Verantwortlichen absolut nicht korrekt über die Haltung der Tiere aufgeklärt und befürwortet diese Praxis. Dazu bietet die Stadt Gelsenkirchen in Zusammenarbeit mit der Igelstation ein sogenanntes Umweltdiplom an. In diesem Zuge wird völlig falsches Wissen vermittelt. Das ist wirklich traurig.
Im April zu Ostern werden die Tiere mit großem Tamtam wieder in die Freiheit entlassen. Nach diesem letzten Stresstest, sind sie nach 6 Monaten dann endlich frei von ihrer Qual.
Was kann man besser machen?
Der Umgang mit den Tieren bei den Pfadfindern ist wirklich traurig. Dabei haben die Verantwortlichen hier durchaus Möglichkeiten, die Igel artgerecht zu betreuen. Die Station befindet sich mitten im Grünen, es gibt ein großes Außengelände.
Ich sehe hier keinen Grund, warum man den Tieren nicht ein entsprechendes Quartier einrichten kann, damit sie ihren Winterschlaf halten können.
Auch kann ich nicht verstehen, dass die Betreuer nicht in der Lage sind, mit den Pfadfindern kleine Schlafhäuschen für die Igel zu bauen? Solche Aufgaben sind doch eine schöne Beschäftigung für die Kinder und sie tun wirklich etwas gutes.
Zudem findet man im Internet jede Menge Informationen über eine artgerechte Ernährung von Igeln. Das sollte also auch kein Problem sein.
Wenn man die finanziellen Mittel nicht hat, die Igel artgerecht zu versorgen, sollte man es bleiben lassen und die Igel in fachkundige Hände geben.
Was ich getan habe:
Meine Igel sind einen Tag später zum Netzwerk Igel e. V. in Wuppertal gekommen, wo sie zum einen professionell und zum anderen liebevoll aufgepäppelt und über den Winter gebracht werden.
Ich habe das Veterinäramt und den zuständigen Amtstierarzt der Stadt Gelsenkirchen über die Missstände informiert. Allerdings hat sich binnen zwei Wochen hier noch nichts getan und Auskunft bekomme ich aus Datenschutzgründen sind. Die Igelstation schreibt indes auf ihrer Webseite, dass sie voll belegt ist!
Diese Woche habe ich die Presse informiert in der Hoffnung auf Unterstützung und nun schreibe ich diesen Artikel, um mich öffentlich dazu zu positionieren und die Verantwortlichen wach zu rütteln. Gerne korrigiere ich den Artikel zum positiven für den Pfadfinderstamm Wulfila, wenn ich mich vor Ort davon überzeugen konnte, dass der Verstoß gegen das Tierschutzgesetz behoben wurde.
Was ihr für die Igelhilfe tun könnt
Allgemeines: Wenn ihr feststellt, dass ihr Igel im Garten habt, freuen sie sich, wenn ihr eine Futterstelle einrichtet. Ideal ist ein naturnaher Garten mit vielen Versteckmöglichkeiten. Laub ruhig einmal liegen lassen, bzw. auf einen großen Haufen schieben.
Das richtige Futter: Igel sind Fleischfresser, keine Vegetarier. Sie können mit hochwertigem Katzenfutter (nass oder trocken) versorgt werden. Am besten eignet sich Hühnchen Monoprotein. Das Futter muss getreidefrei sein. Nassfutter in Sauce oder Gelee ist nicht geeignet. Es wird zwar gefressen, verursacht aber Bauchschmerzen.
Auch labbriges Rührei, gegartes Rindergehacktes, gekochte Hühnchenflügel werden gern gegessen.
Niemals: darf ein Igel Milch bekommen! Igel sind laktoseintolerant und können daran verenden.
Kleinen Igel im Winter gefunden?
Es ist nicht immer leicht zu beurteilen, was man in der jeweiligen Situation tun soll, wenn man einen kleinen Igel findet. Fakt ist, kleine Igel, die jetzt Anfang Dezember noch auf Futtersuche sind, sind hilfsbedürftig. Sie sollten deshalb gesichert und erstversorgt werden.
- Das heißt, sie sind erstmal auf Verletzungen und Fliegeneier / Fliegenmaden zu untersuchen. Fliegeneier (kleine weiße Stäbchen) müssen sofort entfernt werden (Pinzette oder mit Zahnbürste auskämmen).
- Das Bäuchlein fühlen. Ist es kalt, den Igel erst aufwärmen. Eine Wärmflasche und ein Handtuch sind hier hilfreich.
- Wenn das Bäuchlein warm ist, darf der Igel gefüttert werden.
Für alles weitere solltet ihr euch mit einer fachkundigen Igelstation unterhalten. Im Internet gibt es sicher Adressen in eurer Umgebung und auf Facebook gibt es verschiedenen Gruppen, in denen Menschen mit Rat und Tat zur Seite stehen. Natürlich dürft ihr mich auch gerne ansprechen.
Links zur Igelhilfe
Auch Spenden helfen den Igeln
Jeder der helfen will, kann unterstützen und sei es mit einer Spende. Das Netzwerk Igel e. V. in Wuppertal betreut jährlich über 400 Igel und hat eine Belegungskapazität für 120 Tiere. Das herzliche Team kümmert sich fürsorglich und mit großem Engagement um die Igel und freut sich über jeden Beitrag.
Ich hoffe, ich konnte euch mit meinen Artikel heute ein wenig für den Wildtierschutz sensibilisieren. Ein weiteres meiner Projekte in diesem Bereich ist die Betreuung der jährlichen Amphibienwanderung bei uns in Bottrop-Vonderort.
Bleibt gesund und munter – eure Dina